Ampeln – How is this still a thing?

Ein Autofahrer wird jetzt sagen: „Wo ist das Problem? Klar, man steht ständig an roten Ampeln, die grüne Welle wurde von den linksgrünversifften Ökofaschisten sabotiert, aber sonst? Bei Rot steht man, bei Grün fährt man und Gelb ist quasi Grün.“

Ganz so einfach haben es uns die Freizeitradler im BMVI nicht gemacht. Dort wurde ein ausgefuxtes System ersonnen, welches garantieren soll, dass Radfahrer ganz sicher den Überblick verlieren und Autofahrer über Radfahrer schimpfen können, „die sich nicht an die Regeln halten“. Ich möchte jetzt gar nicht auf die grundsätzlichen Fragen (welche Ampel gilt für mich?) Antwort geben, das wurde und wird woanders ausführlichst getan, sondern mich mit den Schaltungen, „vergessenen“ Ampeln und dem täglichen „Rate mal mit Rosenthal“ befassen. Ausufernde Exkurse in die Richtlinien für Lichtsignalanlagen (kurz RiLSA) werde ich mir verkneifen, interessierten Lesern sei sie aber ans Herz gelegt.

Warum eigentlich dieser Beitrag? Weil mir das sinnlose Warten an Ampeln auf den Keks geht. Außer, es müssen mit mir auch die parallel fahrenden Kraftfahrer warten. Zudem bin ich als Radfahrer kein Fußgänger und möchte auch nicht wie einer behandelt werden.

Denn mal los!

Benachteiligende Ampelschaltungen

Hier führe ich als mein Hassobjekt Nr. 1 die Ampel an der Kreuzung Einmündung der Pacellistraße in den Lenbachplatz an. Als Radfahrer befindet man sich hier – wenn man die Fahrt entlang des Maximilianplatzes fortsetzen möchte – auf einem benutzungspflichtigen Radweg. An der Einmündung wurde die Vorgabe der StVO nach eigenen Signalgebern für Radfahrer in der lästigen (aber extrem billigen) Version der gemeinsamen Streuscheibe für Radfahrer und Fußgänger umgesetzt. Das ist schon einmal Problem 1 an dieser Stelle. Dies bedeutet nämlich immer, dass die Grünphasen sich an den erheblich niedrigeren Geschwindigkeiten der Fußgänger orientieren und damit lächerlich kurz sind (insbesondere im Vergleich zu den parallel geführten Kraftfahrzeugen, sprich dem „richtigen“ Verkehr). Hierzu später mehr. Problem 2 ist die Tatsache, dass man, egal ob auf dem Rad oder zu Fuß, zwei Verkehrsinseln überqueren muss, welche jeweils mittels eigener Ampel den (großzügigen) Straßenquerschnitt dritteln. In der Praxis führt das zu zwei Situationen: Zum einen hat man nach ca. jeweils 6 Metern eine Möglichkeit, die Überquerung der Straße abzubrechen und auf einer der Mittelinseln auf neuerliches Grünlicht zu warten (man muss hier sogar warten, wenn die Ampel während der Überquerung auf Rotlicht schaltet, in der Theorie gilt dies auch für Radfahrer, ein Überqueren der gesamten Fahrbahn ist nur erlaubt, wenn man bereits die letzte Insel bei Grünlicht passiert hat). Hätte man dies nicht gewollt, bräuchte man nur eine Ampel ans gegenüberliegende „Ufer“ stellen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass man zur Berechnung der Ampelphasen nicht die gesamte Fahrbahnbreite heranziehen muss, sondern nur die breiteste Fahrbahn zwischen den Inseln. An der ungünstigsten (=breitesten) Stelle – die linke Furtmarkierung) liegt die Fahrbahnbreite im Bereich der Fußgängerfurt bei ca. 12 Metern (die linke Furtmarkierung führt allerdings schon ein gutes Stück in den Kurvenradius hinein). Die RiLSA (jetzt muss es leider doch sein) geht bei Fußgängern von einer Geschwindigkeit von 1,2m/s aus. Dies entspricht 4,32km/h – also eine typische Radfahrgeschwindigkeit 😉 . Für die oben genannte Strecke zwischen der letzten Insel und dem rettenden Ufer benötigt also ein virtueller Fußgänger rund 10 Sekunden. Wenn er die längste Strecke wählt. Diese 10 Sekunden wären die sog. „Schutzzeit“ der Ampel. D.h. zwischen dem auf rot springen der Fußgängerampel und dem Grünlicht des Querverkehrs liegen 10 Sekunden, in denen der Fußgänger zwar „gegen Rot“ läuft, aber Zeit hat, die Fahrbahn zu räumen. Erst danach wird er angehupt. Hier nun nur als Vergleich die Rechnung, wenn es die eigens beampelten Inseln nicht gäbe: Fahrbahnbreite 32 Meter. 1,2m/s -> ca. 27 Sekunden. Die Räumzeit wäre also fast 3x so lang. Soweit zur Theorie.

In der Praxis sieht das in der Radlhauptstadt so aus:

Man verzeihe mir den grottigen Special Effect zu Beginn des Videos. Ich fasse das Gesehene einmal zusammen:

Die Rotphase für Radfahrer und Fußgänger beginnt 40 Sekunden(!) vor der Rotphase des parallel fahrenden Kraftverkehrs. Insgesamt dauert die Rotphase für unmotorisierte Verkehrsteilnehmer 1:15 Minuten (falls eine Tram mitspielt dauert das noch länger). Umweltfreundliche Kraftfahrer müssen also nur ca. halb so lange auf Grünlicht warten wie alle anderen. Ich habe – obwohl aus dem Stand angefahren – zur Überquerung des gesamten Straßenquerschnitts 8 Sekunden benötigt (alle Zeitangaben natürlich hochwissenschaftlich per Lichtschranke ermittelt 😉 )

Mir ist unklar, weshalb es hier eine derartige Ungleichbehandlung der Verkehrsarten gibt. Die Einmündung ist nicht sonderlich komplex, es gibt nicht einmal besondere Signale für Rechts- oder Linksabbieger. Die RiLSA kalkuliert für Radfahrer 4m/s (14,4km/h) – 32m in 8 Sekunden. Das entspricht ziemlich genau der Zeit, die ich gebraucht habe – für die ganze Querung. Aber an dieser Einmündung gibt es ja zwei Inseln auf denen ich im Fall der Fälle halten müsste. Ich muss also nicht mit 32 Metern kalkulieren sondern nur mit 6-8 Metern. Im Ergebnis käme dies heraus (Ein- und Ausfahrzeiten für Radfahrer lasse ich der Einfachheit halber weg):

  • Radfahrer erhalten 2 Sekunden vor dem in gleicher Richtung fahrenden Kraftverkehr Rotlicht
  • Fußgänger erhalten 7 Sekunden vor dem in gleicher Richtung fahrenden Kraftverkehr Rotlicht.

Nochmal zum Vergleich die Realität: 40 Sekunden! Für Radfahrer: 20x früher als nötig. Das nenne ich eine ordentliche Sicherheitsmarge. Und da wundert man sich, dass Radfahrer (und auch Fußgänger) das Rotlicht ab und an etwas freier interpretieren?

Idealerweise teilte man die Phase folgendermaßen auf:

8 Sekunden vor dem Rotlicht für Kfz schaltet die Ampel für Radfahrer auf Rot sowie auch die 3 Ampeln für Fußgänger. Radfahrer können so die gesamte Straße in einem Zug queren (8 Sekunden entsprechen 32 Metern), auch wenn die Ampel zwischenzeitlich auf Rot schaltet. Fußgänger schaffen es in dieser Zeit bequem zur nächsten Insel. Der aufmerksame Leser wird nun anmerken, dass dort ja lediglich 3 kombinierte Ampeln existieren. Richtig! Zur Umsetzung dieses Systems müsste man lediglich eine (wirklich) eigene Ampel für Radfahrer installieren, so wie man das an anderen Stellen auch macht. Womit wir gleich beim nächsten Thema sind.

Das große Suchspiel.

Hier geht es nun nicht darum, welche Ampel für mich als Radfahrer gilt, sondern wo die Ampel hängt, die für mich gelten müsste. Wie wir wissen sollten…existieren für Radfahrer 5 verschiedene Ampeltypen, die – abhängig von der jeweiligen Situation, der Mondphase und der Tageszeit – gültig sein können. Namentlich sind dies:

  • „große“ Ampel, die auch für Kfz gilt
  • Fußgängerampel
  • gemeinsame Rad- und Fußgängerampel
  • Fahrradampel klein („Babyampel“) mit Gelblicht
  • Fahrradampel groß ohne Gelblicht

Alle Angaben ausdrücklich nur für München gültig.

Naiverweise könnte man natürlich annehmen, dass man sich als Kommune für genau einen Ampeltyp entscheidet. Das würde Planung und Instandhaltung vereinfachen und für uns Nutzer eine gewisse Übersichtlichkeit und Gewöhnung fördern. Aber dies ist Deutschland hier! Na gut. Dann wenigstens auf einer Straße oder Strecke immer die gleiche Art von Ampel! Nein? Wozu auch? Bunt vermischt ist doch viel spannender und fördert die Aufmerksamkeit. Nun folgen ein paar Beispiele aus der Münchner Innenstadt, also beileibe keine unwichtigen Strecken.

Stachus, Fahrtrichtung Süd. Hier befinden sich auf kürzester Distanz (ca. 80m) 3 Ampelanlagen. Und hier sind es nicht zwei Verkehrsinseln wie im Fall oben sondern echte Straßen.

Ampel 1

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Einmündung der Prielmayerstraße

Auf dem Foto sieht man auch bereits die unmittelbar folgende Ampel und im Hintergrund die „große“ Ampel für die letzte Kreuzung.

Ampel 2

Einmündung der Trambahngleise

Einmündung der Trambahngleise

Hier wurde die Ampel ebenfalls mit einer gemeinsamen Streuscheibe ausgerüstet.

Ampel 3

Einmündung der Bayerstraße

Einmündung der Bayerstraße

Dabei wäre drei Mal doch göttlich gewesen. Aus unbekannten Gründen hat man an der dritten Einmündung eine „Babyampel“ verbaut. An der Ampel vor diesen 3 Ampeln existiert eine gemeinsame Streuscheibe, an den beiden darauf folgenden Ampeln ebenfalls. Nur diese hier fällt aus dem Rahmen. Jetzt kann mannatürlich sagen, „ist doch klasse, da wird man endlich mal als Radfahrer mit einer höheren Geschwindigkeit als die eines Fußgängers in der Berechnung der Ampelschaltung berücksichtigt!“. Leider nicht wirklich. Die Fußgängerampeln und die Babyampel schalten parallel. Der einzige Vorteil an dieser Konstellation an genau dieser Kreuzung ist, dass man de jure nicht auf der Verkehrsinsel anhalten muss, wenn die Fußgängerampel während der Überquerung der ersten Fahrbahn auf rot umspringt.

 

Neues Beispiel, Von-der-Tann-Straße an der Kreuzung mit der Ludwigstraße.

fahrtrichtungsabhängige Babyampeln

fahrtrichtungsabhängige Babyampeln

Diese Ampel ist auf mehrere Ebene etwas „ganz besonderes“. Zum einen gibt es für Radfahrer, die ihre Fahrt geradeaus fortsetzen möchten, eine Babyampel. Radfahrer mit dem Wunsch nach rechts abbiegen zu wollen, haben ihre eigene Babyampel. Und auf der anderen Straßenseite hängt eine „große“ Fahrradampel ohne Gelblicht und ohne kleine Pfeile, welche sie für eine Fahrtrichtung qualifizieren würde. Problem 1: die Pfeile auf den Streuscheiben der Babyampel sind winzig, sie sind eigentlich erst aus nächster Nähe erkennbar. Problem 2 (hat eigentlich nichts mit den Ampeln zu tun, nervt aber trotzdem extrem): Es gibt zwar für beide Richtungen jeweils eine eigene Ampel, aber leider keine zugehörigen „Fahrspuren“, auf dem Bild deutet sich ja bereits die großzügige Anlage des Radwegs an. Wenn ganz vorne ein Radfahrer wartet, der seine Fahrt geradeaus fortsetzen möchte, müssen rechtsabbiegende Radfahrer trotz Grünlicht (Situation wie auf dem Foto) warten oder verbotenerweise rechts am Ampelmast vorbei über den Gehweg fahren (wo in aller Regel eine Menge Leute warten, da die Schaltung auch hier wieder extremst fußgängerfreundlich ist). Das ist umso ärgerlicher, als dass die Rechtsabbiegerampel sehr viel häufiger (und auch länger) Grünlicht zeigt als die Ampel für die Fahrt geradeaus. Letztere zeigt zusätzlich netterweise auch nochmals halb so oft Grünlicht wie die zugehörige „große“ Ampel für die Kfz. An dieser Ampel kann man schon einmal 2 – 3 Minuten verbringen, während alle anderen Verkehrsteilnehmer, inkl. Fußgänger und in andere Richtungen fahrende Radfahrer, teils mehrfach Grünlicht erhalten. Ein ganz feiner Zug der Radlhauptstadt. Nachdem ich mir dieses Spiel hier einige Monate angetan habe und der Frust größer wurde, habe ich beschlossen, diesen Radweg entlang der Von-der-Tann-Straße nicht mehr zu nutzen sondern rechtzeitig auf der Höhe der Hahnenstraße auf die Fahrbahn zu schwenken und dann dort geradeaus zu fahren. Selbst wenn man dort im Stau steht und zwei Phasen warten muss, ist das meist schneller als vor der Ampel auf dem Radweg zu warten. Zumal man so auch der akuten Dooringgefahr auf dem knapp 1 Meter breiten Radweg entgeht. So, nun noch zu der einsamen Ampel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Diese ist parallel mit der linken Babyampel geschaltet und meiner Interpretation nach für Radfahrer gedacht, die von bildlinks kommend indirekt in den Oskar-von-Miller-Ring abbiegen möchten. Mangels Fußgängerüberweg könnten diese sich nämlich sonst nicht einmal an der Fußgängerampel orientieren. Was mich zu meiner nächsten Ampel führt. Diese liegt exakt der vorherigen Situation gegenüber.

Die vergessene Ampel
fehlende Fahrradampel an der Ludwigstraße

fehlende Fahrradampel an der Ludwigstraße

Ich befinde mich hier nicht auf einem Radweg, denn auf diesem Stück Straße gibt es keinen solchen. Die Ampel für mich ist einfach zu finden, sie hängt über mir und gilt in gleichem Maße auch für die Kfz hinter und neben mir. Interessant sind die beiden Radfahrer rechts im Bild. Die beiden fuhren bei Grünlicht von links kommend auf einer Radfurt über die Kreuzung und warten jetzt dort, weil sie indirekt links abbiegen möchten. Aber wo ist die für sie zuständige Ampel? In meine Blickrichtung gibt es keinen Radweg und dementsprechend auch keine Radfurt, die die beiden nutzen könnten bzw. sogar nutzen müssten. Hier ist §9(2) StVO anzuwenden. Kurz: Wenn die Straße frei ist darf man die Fahrbahn nach links queren ohne irgendeine Ampel zu beachten (in diesem Fall!) Weiß nur niemand – mit ziemlicher Sicherheit auch nicht unsere Ordnungshüter – und ist an solch großen Kreuzungen auch nicht wirklich zu empfehlen und sicher von den Damen und Herren in der verantwortlichen Behörde auch nicht bedacht worden, was die eigentliche Frechheit ist. Instinktiv orientieren sich hier sämtliche Radfahrer an der Fußgängerampel, obwohl diese für sie „nicht zuständig“ ist. Stelle ich mir sehr spannend vor, wenn man „richtige“ Ampeln mit der gleichen Sorgfalt planen würde. Solche „vergessenen“ Ampeln findet man erstaunlich oft, wenn man darauf achtet.

Dieser Artikel ließe sich noch lange fortführen und manch einer wird denken, was soll der Aufriss? Geht doch schon irgendwie. Ja, irgendwie geht das alles. Aber solange das so aussieht wie hier beschrieben, ist Radfahren kein echter Verkehr sondern weiterhin Kinderspiel, da kann man noch so viele „Sicherheitschecks“ anbieten oder Modenschauen veranstalten. Die Zeit (und das Geld) wäre sinnvoller investiert, wenn man sich vorher die Infrastruktur kritisch ansehen würde. Achso, noch zum Schluss ein Wort zu den unterschiedlichen Ampelversionen für Radfahrer. Einen kurzen Moment lang dachte ich, dass dieser Mischmasch historisch bedingt ist, dass also im Zuge der Anpassung an die StVO manche Kreuzungen auf einen neueren Stand gebracht wurden als andere. Leider musste ich aber feststellen, dass dies nicht so ist. Auch heute werden weiterhin unterschiedliche Ampeltypen im Erstausbau eingesetzt. So werden z.B. am Luise-Kiesselbach-Platz die gemeinsamen Streuscheiben zum Einsatz kommen, teilweise sogar als dreckige Bettelampel (die Ampeln stehen teilweise schon), wohingegen man vor 2 Jahren am Harras bzw. genauer an der Albert-Roßhaupter-Straße Abzweig in die Meindlstraße Babyampeln (Ohne Gelblicht! Als Bettelampel! An einer Zufahrt zu einer Fahrradstraße!) verbaut hat. Es wird also auch weiterhin keine einheitliche Gestaltung, geschweige denn angemessene Ampelschaltungen geben. Als Nachsatz noch Folgendes: Ich bin vor wenigen Wochen als Tourist in Kopenhagen Rad gefahren. Und sobald man auf einem Radweg fährt gibt es für diesen Radweg einheitliche Ampeln, nämlich unsere Babyampeln, nur so hoch gehängt, dass Fußgänger oder andere Radfahrer sie nicht verdecken können. Und auf belebten Radwegen gibt es zudem getrennte Abbiegespuren. Das geht nämlich alles, wenn man nur will.

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